Der Immobilienmarkt boomt. Vor allem in Großstädten kosten Häuser und Wohnungen deutlich mehr als noch vor einigen Jahren. Anderswo können Eigentümer dagegen froh sein, wenn ihr Häuschen nicht an Wert verliert. Die Finanztest-Experten erklären, wo Käufer und Verkäufer Hilfe finden, welche Verfahren zur Wertermittlung es gibt, und was der Unterschied zwischen Sachwert, Vergleichswert und Ertragswert ist.
Die Augen der Kaufinteressentin leuchten schon vor dem Eingang des denkmalgeschützten Jugendstilaltbaus in Berlin. Sie ist entzückt von den geschwungenen Verzierungen an der Fassade. In der Wohnung schreitet sie durch großzügige Räume mit Doppelflügeltüren und Stuckdecken und bewundert den pittoresken Neorenaissance-Kamin. Ralph Hohberg folgt seiner Kundin über die alten Holzdielen. Bei jedem Schritt klirrt das Geschirr im Regal. Das Abflussrohr gurgelt laut. Im Keller entdeckt der Bausachverständige feuchte Flecken. Der Immobilien-Kaufberater bremst seine Kundin: „Die Wohnung muss saniert werden. Daher ist der Kaufpreis viel zu hoch!“ Hohberg erlebt oft, dass Käufer Mängel nicht entdecken und Verkäufer den Wert ihrer Häuser und Wohnungen überschätzen. Das kann beide Seiten teuer zu stehen kommen. Treten Verkäufer mit unrealistischen Preisvorstellungen auf, laufen sie Gefahr, keinen Käufer zu finden. Sind Kaufinteressenten bereit, Mondpreise zu zahlen, verlangen Banken höhere Zinsen oder Sicherheiten oder lehnen das Vorhaben ganz ab. Was eine Immobilie wert ist, spielt auch bei Scheidungen oder Erbschaften eine Rolle – oder bei der eigenen Finanzplanung.
Drei Verfahren zur Wertermittlung
Der Marktwert, auch Verkehrswert genannt, spielt dabei eine zentrale Rolle. Das ist der Preis, der gewöhnlich und ziemlich sicher zu erzielen wäre. Für seine Ermittlung hat der Gesetzgeber drei Verfahren festgelegt. Sie ergeben den Sachwert, den Vergleichswert oder den Ertragswert. Die Ergebnisse können voneinander abweichen. Welches Verfahren angewendet wird, hängt von der Art und Nutzung einer Immobilie ab. Sachverständige betrachten oft mehrere Ansätze, gewichten aber einen besonders hoch. Wie gut die baulichen Anlagen in Schuss sind und wie viel ein Neubau kosten würde, beurteilen die Experten beim Sachwertverfahren. Hinzu kommt der Bodenwert und gegebenenfalls ein Marktanpassungsfaktor. Das ist ein Abschlag oder Zuschlag, der die aktuelle Marktlage einbezieht. Dieses Verfahren wird vor allem bei Ein- und Zweifamilienhäusern angewendet, weil es oft wenige wirklich vergleichbare Häuser auf dem Markt gibt.
Vergleich mit anderen Objekten
Bei Eigentumswohnungen steht dagegen der Vergleichswert im Vordergrund. Bei diesem Verfahren wird betrachtet, welche Preise Immobilien ähnlicher Art erzielt haben. Solche Zahlen haben die Gutachterausschüsse. Sie sammeln die Kaufpreise in ihrem Gebiet. Hat jemand ein berechtigtes Interesse, etwa weil ein Eigentümer verkaufen will, geben sie in anonymisierter Form Einblick oder erteilen gebührenpflichtige Auskünfte.
Aus den Kaufpreisen ermitteln die Gutachter Bodenrichtwerte, die das Niveau für die Grundstückspreise in einem Gebiet widerspiegeln. Das ist zum Beispiel hilfreich, um abzuschätzen, wie viel ein Hausverkäufer jeweils für Grundstück und Gebäude ansetzt.
Höhe der Miete spielt eine Rolle
Bei Mietshäusern und Gewerbeimmobilien rechnen Experten den Ertragswert aus. Das ist der heutige Wert aller zukünftigen Überschüsse aus der Vermietung. Das einfachere Kaufpreis-Miete-Verhältnis ist bei vermieteten Eigentumswohnungen und Ein- und Zweifamilienhäusern gebräuchlich, um zu beurteilen, ob der Kaufpreis in einer angemessenen Beziehung zu den Mieten steht. Dabei wird der Kaufpreis durch die Nettokaltmiete pro Jahr geteilt. Je höher das Ergebnis ausfällt, desto teurer ist die Immobilie im Verhältnis zur Miete.
Internetportale bieten Bewertung an
Hilfe bei der Ermittlung der Verkehrswerte bieten mehrere Immobilienportale an. Das ist jedoch nicht so einfach, wie es klingt. Denn Laien vertun sich leicht, wenn sie etwa eingeben sollen, ob die Ausstattung „durchschnittlich“ oder „gehoben“ ist. Außerdem kann ein solches Verfahren Besonderheiten nicht erfassen, die Zuschläge oder Abschläge rechtfertigen. Das könnte etwa eine wunderbare unverbaubare Aussicht sein oder ein sehr eigenwilliger Grundriss, der ein Gebäude für andere schwer nutzbar macht. Das gilt auch für die Vergleichspreise und Bodenrichtwerte der Gutachterausschüsse.
Die Interessentin für die Jugendstilwohnung in Berlin hätte etwa mit diesen Informationen den Sanierungsbedarf in sechsstelliger Höhe nicht erkannt. Dafür müssen Sachverständige vor Ort sein.
Selbst bei ihnen gibt es aber Interpretationsspielräume. Gutachter kommen daher bei einer Immobilie oft zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das gilt auch für die Onlineportale, denn sie nutzen unterschiedliche Datenquellen.
Allerdings kann die beste Wertermittlung manchmal auf dem Weg zum Traumobjekt nichts nützen. Kaufberater Hohberg besichtigte etwa an einem Freitag ein Haus am Stadtrand Berlins mit einem Kunden. „Der Preis ist angemessen“, beschied ihm Hohberg. Am folgenden Montag sagte der Kunde zu – zu spät: Übers Wochenende hatten andere Interessenten deutlich mehr als den geforderten Preis geboten. Denn in Boomzeiten sind viele Käufer bereit, mehr als den Verkehrswert zu zahlen.
Autor:
Marco Feindler, M.A.
Geschäftsführer und Inhaber
Heidelberger Wohnen GmbH, Opelstr. 8c, 68789 St. Leon – Rot, https://www.heidelbergerwohnen.de
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