In Deutschland gibt es jährlich gut 100.000 Erbfälle, in denen Erbschaftssteuer zu zahlen ist. In einem großen Teil dieser Fälle geht es auch um Häuser, Wohnungen oder Grundstücke. Je nach Konstellation kann die Erbschaftsteuer erhebliche Summen ausmachen. Das gilt gerade bei vererbtem Immobilienvermögen, da es sich üblicherweise um größere Vermögenswerte handelt. Nachfolgend geben wir Ihnen einen Überblick über die Erbschaftssteuer-Regelungen und was bei Immobilien besonders zu beachten ist.
Die Erbschaftssteuer – wann fällt sie an und wie hoch ist sie?
Wenn Sie Vermögen erben, besteht gegenüber dem Finanzamt grundsätzlich eine Erbschaftssteuer-Pflicht. Durch – vergleichsweise großzügige – Freibetrags-Regelungen ist allerdings effektiv vielfach keine Erbschaftssteuer an das Finanzamt zu zahlen. Das deutsche Erbschaftssteuerrecht verfährt nach dem Prinzip: je näher das Verwandtschaftsverhältnis bzw. die Beziehung zum Erblasser ist, desto höher der Freibetrag und desto geringer die Steuerlast. Die höchsten Begünstigungen erhalten danach Ehegatten und Kinder des Verstorbenen, die geringsten Personen ohne Verwandtschaftsverhältnis, wie erbende Freunde, Bekannte usw. Die Freibeträge bei der Erbschaftsteuer wurden im Jahre 2009 deutlich angehoben. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick:
Steuerklasse | Verwandtschaftsgrad | Freibetrag in Euro |
1 | Ehepartner (auch gleichgeschlechtlich) | 500.000 |
1 | Kinder, Stiefkinder, Enkel von verstorbenen Kindern | 400.000 |
1 | Enkel | 200.000 |
1 | Sonstige Personen | 100.000 |
2 | Eltern, Voreltern, Geschwister, Nichten, Neffen, Stiefeltern, Schwiegerkinder, Schwiegereltern, geschiedene Ehepartner | 20.000 |
3 | Sonstige Personen | 20.000 |
Neben der Festlegung von Freibeträgen „steuert“ der Gesetzgeber die Erbschaftsteuer über Steuerklassen. Es gibt insgesamt drei Steuerklassen. In der Steuerklasse I finden sich Personen mit dem „engsten“ Verhältnis zum Verstorbenen (Ehegatte, Kinder, Eltern), in den Steuerklassen II (Geschwister, blutsverwandte Neffen und Nichten) und III (nichtverwandte Personen) werden dagegen Personengruppen mit „ferneren“ Beziehungen zum Erblasser erfasst. Steuerklasse I bietet folgerichtig die günstigsten Steuersätze, Steuerklasse III die höchsten. Schließlich hängt die Besteuerung auch noch vom Wert des Erbes ab. Je höher das steuerpflichtige Vermögen ist, desto höher sind die anzuwendenden Steuersätze. Die Steuersätze sind 2010 neu festgelegt worden. Die geltenden Sätze für die einzelnen Steuerklassen zeigt folgende Tabelle:
Steuerpflichtiger Erwerb | Steuerklasse I | Steuerklasse II | Steuerklasse III |
bis 75.000 Euro | mit 7 Prozent | mit 15 Prozent | mit 30 Prozent |
bis 300.000 Euro | mit 11 Prozent | mit 20 Prozent | mit 30 Prozent |
bis 600.000 Euro | mit 15 Prozent | mit 25 Prozent | mit 30 Prozent |
bis 6.000.000 Euro | mit 19 Prozent | mit 30 Prozent | mit 30 Prozent |
bis 13.000.000 Euro | mit 23 Prozent | mit 45 Prozent | mit 50 Prozent |
bis 26.000.000 Euro | mit 27 Prozent | mit 40 Prozent | mit 50 Prozent |
Ob und wie viel Erbschaftssteuer an das Finanzamt zu zahlen ist, soll ein Beispiel verdeutlichen. Angenommen sei ein vererbtes Vermögen von 500.000 Euro. Danach ergibt sich folgende Erbschaftsteuer
- beim eigenen Kind als Erben: 11.000 Euro (400.000 Euro Freibetrag, steuerpflichtiger Erwerb 100.000 Euro, Steuerklasse I 11 %);
- bei einem erbenden Bruder: 120.000 Euro (20.000 Euro Freibetrag, steuerpflichtiger Erwerb 480.000 Euro, Steuerklasse II 25 %);
- bei einem erbenden Freund: 144.000 Euro (20.000 Euro Freibetrag, steuerpflichtiger Erwerb 480.000 Euro, Steuerklasse III 30 %).
Bei Schenkungen von Vermögen finden übrigens die gleichen Freibetrags-Regelungen und ein ähnliches Besteuerungs-Prinzip Anwendung. Die Steuerklassen-Einstufung ist bei der Schenkungssteuer allerdings nicht ganz deckungsgleich mit der bei der Erbschaftssteuer.
Sonderregelungen beim Immobilienerbe
Bei vererbtem Immobilienvermögen, wie ein Haus oder eine Wohnung, gelten einige Sonderregelungen, die die Erbschaftsteuer-Belastung tendenziell reduzieren:
- vererbte Mietimmobilien werden nur zu 90% ihres Wertes berücksichtigt. Es wird also ein pauschaler steuerlicher Bewertungsabschlag von 10 % im Vergleich zu Mietobjekten am „freien Markt“ vorgenommen;
- hat der Erblasser das
Haus oder die Wohnung dagegen vorher selbst bewohnt, kann die Erbschaft unter
bestimmten Bedingungen ganz steuerfrei bleiben. Nur wenn alle Bedingungen
erfüllt sind, tritt allerdings Steuerfreiheit ein:
- das Haus oder die Wohnung muss vom Verstorbenen bis zum Eintritt des Erbfalls selbst genutzt worden sein;
- Erben der Immobilie sind der Ehepartner bzw. ein eingetragener Lebenspartner oder ein Kind des Verstorbenen;
- die Erben wohnen unmittelbar nach Eintritt des Erbfalls mindestens zehn Jahre lang weiter in der Immobilie. Wird die Zehn-Jahres-Frist nicht eingehalten, droht nachträgliche Besteuerung;
- die Wohnfläche des Hauses oder der Wohnung darf nicht mehr als 200 Quadratmeter betragen. Ist sie größer, besteht für den übersteigenden Flächenanteil Steuerpflicht.
Wertermittlung als Basis für die Erbschaftssteuer
Ob und inwieweit Immobilienvermögen der Erbschaftssteuer unterliegt, hängt neben den Freibeträgen und der Geltung steuerlicher Immobilien-Sonderregelungen natürlich auch vom Wert ab. Entscheidend ist dabei der sogenannte „Verkehrswert“ der Immobilie im Zeitpunkt des Erbfalls. Der Verkehrswert ist der Wert, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach Lage, Eigenschaften und Beschaffenheit für das Objekt oder Grundstück anzusetzen wäre – umgangssprachlich ausgedrückt ist der Marktwert gemeint.
Für die Ermittlung des Verkehrswertes für Erbschaftssteuer-Zwecke ist sehr oft ein Sachverständigen-Gutachten erforderlich. Der Gutachter ermittelt den Verkehrswert nach amtlich anerkannten Verfahren. Die Methodik ist im Einzelnen in der Immobilien-Wertermittlungsverordnung (ImmoWertV) festgelegt. Die ImmoWertV kennt drei Verfahren:
- Das Vergleichswertverfahren: ist bei selbst genutzten Immobilien üblich. Es ermittelt den Wert der Immobilie anhand der Kaufpreise bei vergleichbaren Immobilien-Transaktionen im zeitlichen Umfeld des Todeszeitpunkts. Dazu dienen die amtlichen Kaufpreissammlungen bzw. Bodenrichtwerte als Grundlage. Voraussetzung für die Anwendbarkeit ist, dass genügend Vergleichsfälle existieren.
- Das Ertragswertverfahren: wird bei Miet-Immobilien eingesetzt. Hier wird der Gebäudewert anhand der zukünftig zu erwartenden Mieterträge abzüglich der Bewirtschaftungskosten berechnet. Dabei findet eine Kapitalisierung mit Hilfe eines geeigneten Vervielfältigers statt, der den Liegenschaftszins – eine Art Vergleichsrendite – und die Restnutzungsdauer berücksichtigt. Der Bodenwert wird als Vergleichswert ermittelt und hinzuaddiert.
- Das Sachwertverfahren: wird nur angewandt, wenn keine oder nicht genügend Vergleichstransaktionen zur Verfügung stehen. Hier orientiert sich die Bewertung der Immobilie an den Herstellungs- bzw. Baukosten für einen vergleichbaren Neubau unter Berücksichtigung der bereits erfolgten Abnutzung. Der Bodenwert wird wieder als Vergleichswert ermittelt und hinzuaddiert.
Wertermittlungs-Gutachten sind nicht billig. Die Kosten hängen vom Verkehrswert ab. Bei einem Wert von 400.000 Euro kann sich das auf etwa 1.500 bis 2.000 Euro belaufen, im Einzelfall auch mehr. Immerhin sind die Ausgaben als Erbnebenkosten steuerlich absetzbar und reduzieren so die Erbschaftsteuer.
Author: Marco Feindler, M.A.
Geschäftsführer und Inhaber